Coaching für Eltern in Haft
Das Projekt Präfix R® wurde 2015 entwickelt, weil es für inhaftierte Eltern kaum Angebote gibt, die ihnen gezielt die Möglichkeit eröffnen, sich mit ihrer Elternrolle auseinanderzusetzen. Auch die Kinder inhaftierter Eltern zählen zu einer vernachlässigten, kaum beachteten Zielgruppe, obwohl die wenigen Forschungsergebnisse, die über Kinder inhaftierter Eltern vorliegen, ihre hohe Vulnerabilität aufzeigen. Die Kinder inhaftierter Eltern – so zeigt eine europäische Studie 2013 – haben nicht nur den Verlust eines Elternteils zu verkraften, sie neigen oftmals dazu, sich zu isolieren, weil sie dem Druck unterliegen, den Aufenthaltsort von Mutter oder Vater geheim zu halten oder aber sie sind Mobbing ausgesetzt, wenn die Straftat und die Inhaftierung bekannt wird. Als Reaktion darauf können sie auffälliges Verhalten zeigen, sie (re)agieren aggressiv oder mit Depressionen, sind in ihrer Selbstwertentwicklung beeinträchtigt und gefährdet, sich delinquenten Cliquen oder radikalisierten Gruppierungen anzuschließen.
Zielgruppe
Das Präfix R®-Coaching richtet sich an Eltern, die sich in der Zeit ihrer Inhaftierung mit ihrer Elternrolle auseinandersetzen möchten. Angesprochen sind alle Eltern mit Kindern im Alter von 0-18 Jahren – unabhängig davon wie sie sich politisch-ideologisch verorten. Das Angebot richtet sich sowohl an Eltern, die rechtsextreme Haltungen und Überzeugungen haben, evt. selbst radikalisierten Gruppen angehören und bei denen davon auszugehen ist, dass sie bewusst bzw. gezielt oder auch unreflektiert ihre Überzeugungen an ihre Kinder weitergeben, als auch an Eltern, die humanistische Grundwerte für sich reklamieren und diese auch als Leitlinie ihrer Erziehungsprinzipien formulieren, jedoch mit Sorge beobachten, dass sich ihre Kinder ideologisch radikalisieren.
Ziele
Hauptziel des Präfix R®-Coachings ist es, durch die Arbeit mit inhaftierten Eltern, sei es, dass sie selbst rechtsextreme Positionen bzw. Haltungen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit vertreten oder aber zunächst weniger durch vorurteilsmotivierte Narrative auffallen, radikalisierungspräventiv auf die Kinder zu wirken. Dies wird umgesetzt, indem die Mütter und Väter in den Coachings Raum bekommen, ihre Einstellungen und Werte zu reflektieren, die ihrem Erziehungsstil zugrunde liegen und die Eltern-Kind-Beziehung prägen. Indem sie therapeutisch dabei begleitet werden, selbst erlebte Traumatisierungen wie Vernachlässigung oder Gewalt zu bearbeiten, kann verhindert werden, dass sich diese schmerzlichen Erfahrungen transgenerational belastend auf ihre Kinder auswirken. Ein bedeutendes Thema ist außerdem, wie die Eltern – auch jetzt während der Zeit ihrer Inhaftierung – für ihre Kinder verlässliche Bezugspersonen sein können, unabhängig davon, ob sie selbst für ihre Betreuung sorgen können oder nicht. Eine Einbeziehung der Regionalen Sozialen Dienste und Jugend- und Familienhilfeträger ist vorgesehen, um Unterstützungsangebote zu installieren. Ganz wesentlich ist auch, dass das Bezugssystem (Partner_in, Eltern) in den Coachingprozess einbezogen wird, wenn dies möglich ist. Im 2018 gestarteten Modellprojekt Präfix R plus besteht für die Angehörigen die Möglichkeit, parallel zu dem Coaching mit dem inhaftierten Elternteil selbst Beratung in Anspruch zu nehmen, um ihre Fragen und Anliegen zu besprechen. Damit wird der Wirkungsradius von Präfix R noch einmal deutlich vergrößert.
Angebot
Das Präfix R®-Coaching wird im Einzelsetting oder als Gruppe angeboten. Interessierte Eltern können sich in einem unverbindlichen Vorgespräch informieren und die Coaches kennen lernen.
Im Coaching werden u.a. folgende Fragen und Themen besprochen:
- Wie kann ich eine stabile Beziehung zu meinem Kind aufbauen bzw. aufrecht erhalten, wie vermittle ich meinem Kind Sicherheit und Verbindlichkeit?
- Wie kann ich auch in der Haftzeit Verantwortung als Vater oder Mutter übernehmen?
- Welche Normen und Werte prägen meinen Erziehungsstil?
- Wie kann ich die Beziehung zu meiner (Ex)-Partnerin, meinem (Ex)-Partner so gestalten, dass wir gute Eltern sein können?
- Welche möglichen Unterstützungsangebote in der Kinder- und Jugendhilfe gibt es?
Flyer
Durch Klick auf Abbildungen Flyer als PDF-Dokumente laden.
Zum Weiterlesen
- „Eltern hinter Gittern“,Artikel über das Präfix R-Coaching für Eltern in Haft von Uli Streib-Brzič und Sabine Zschüttig – veröffentlicht in: ‚Gehirn & Geist‘ Ausgabe 1/2018
- „. . . ob sich die Zeit nachholen lässt?“,Artikel über das Modellprojekt „Präfix R – Coaching mit inhaftierten Eltern“ von Uli Streib-Brzič und Sabine Zschüttig – veröffentlicht in: „forum erwachsenenbildung“, November 2017
- Resilienzstärkung und Radikalisierungsprävention für Kinder inhaftierter Eltern,Artikel von Uli Streib-Brzič und Sabine Zschüttig – veröffentlicht in: „Unsere Jugend – die Zeitschrift für Studium und Praxis der Sozialpädagogik“, 69. Jahrgang, Ausgabe Juni 2017
Ansprechpartner_innen:
Lars Schäfer & Uli Streib-Brzič, Projektleitung
Präfix R Berlin wird durch die Förderung der Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz realisiert.